Interview: SPERLING – "Die Kälte aushalten, statt davor wegzurennen"

Von Alisa Knoll & Sarah Weinberg | 13. September 2021

Am 29. August 2021 spielten SPERLING im Hirsch Nürnberg. Wir haben Sänger und Bassist Jojo und Cellist Luca vor der Show zum Interview getroffen und mit den Jungs unter anderem über die Geschichte ihres Bandnamens, ihre liebsten musikalische Epochen und das Leben auf Tour gesprochen.

Foto: (c) Sarah Weinberg | @sarahwhoeverphoto
Foto: (c) Sarah Weinberg | @sarahwhoeverphoto

Old Vinyl: Hallo Jungs. Schön, dass ihr euch die Zeit genommen habt. Wie geht’s euch?

Jojo: Gut bisher. Bisschen erschöpft würde ich sagen. Das ist jetzt schon unser vierter Auftritt in Folge und der sechste diesen Monat. Waren jetzt viel unterwegs, aber es fühlt sich schön an endlich wieder unter Leute zu kommen, Auftritte zu spielen. Das Tourleben bisschen zu genießen. Wir haben übel Bock. Uns geht’s gut!

 

Old Vinyl: Wie waren denn die letzten Shows für euch?

Jojo: Die waren sehr unterschiedlich, fand ich. Die waren alle cool auf ihre Weise. Es waren immer unterschiedliche Veranstaltungen in verschiedenem Rahmen. Bei manchen Konzerten, was die Corona Regeln angeht, hat man Unterschiede gemerkt. Dass Leute stehen durften, das ist nochmal eine coolere Energie. Bei manchen Konzerten war es eben so, dass sie sitzen. Was immer noch bisschen befremdlich ist, weil das Publikum dann etwas verhalten ist. Aber sonst waren alle Shows cool. Die Leute hatten Spaß, glaube ich. Wir sind einfach froh wieder spielen zu können!

 

Old Vinyl: Gibt es etwas, was ihr euch von heute Abend erwartet? Habt ihr schon einmal in Nürnberg gespielt?

Luca: Das ist das erste Mal, dass wir hier sind. Ist sehr schön hier. „Der Hirsch“ ist ja ein sehr bekannte und coole Location. Geil, mal hier zu sein. Es kommen heute auch ein paar befreundete Bands vorbei, die sich die Show anschauen. Ich hoffe, dass viele Leute kommen und dass sie Bock haben und es ein cooler Auftritt wird.

Old Vinyl: Wie würdet ihr eure Musik in drei Worten beschreiben?

Jojo: Das hab ich schon mal gemacht. Lass mich mal überlegen. Ich hab damals als Erstes „ehrlich“ genommen. Weil es halt sehr persönliche Texte sind und es ist alles sehr roh, würde ich sagen. Wenig verschönert. Dann würde ich sie, glaube ich, noch als ‚atmosphärisch‘ vielleicht bezeichnen, weil es ja alles sehr sphärisch ist, mal laut mal leise. Und als Drittes.. (zu Luca) Fällt dir noch ein Wort ein?

Luca: Ich bin schlecht in sowas. Mir fallen immer zu viele Worte ein.

Jojo: Boah, ich weiß nicht. Vielleicht würde ich ‚schwer‘ als dritten Begriff nehmen. Es ist irgendwie doch keine leichte Kost, nichts was man nebenbei irgendwie hört. Sondern muss sich darauf einlassen. Man muss zuhören, um das Ganze aufnehmen zu können.

 

Old Vinyl: Die nächste Frage bezieht sich auf euren Bandnamen: Wie viel oder was habt ihr mit einem Sperling gemeinsam?

Jojo: Dieser Name ist in so einem Brainstorming entstanden, weil wir uns eben einen Bandnamen gesucht haben. Und dieser Begriff „Sperling“ stand von Anfang an im Raum und hat uns rein von der Klangästhetik gut gefallen. Ein Wort. Prägnant und jeder kennt es oder hat es schon mal gehört. Und was wir dann als Hintergrundinfo ganz interessant fanden, ist, dass der Sperling im Winter nicht in ein wärmeres Gebiet fliegt, sondern dort bleibt wo er hingehört und die Kälte so bisschen aushält. Und das fanden wir passt gut zu uns, weil wir uns halt auch mit eher negativen Sachen und eher schwereren, schlechteren Gefühlen, als mit Friede, Freude, Sonnenschein, auseinander setzen. Deswegen hat das ganz gut für uns gepasst, dieses Bild: die Kälte auszuhalten, statt davor wegzurennen.

 

Old Vinyl: Und wohin würdet ihr fliegen, wenn ihr ein Vogel wärt?

Luca: Irland!

Jojo: Auf jeden Fall dahin, wo es warm ist. Wenn ich schon mal irgendwo hinfliege, weil Winter ist, dann würde ich ins Warme. Ich wollte gern mal nach Neuseeland, mir die ganzen ‚Herr der Ringe‘ - Locations angucken. Auf jeden Fall mal raus aus Europa, das war ich tatsächlich noch nie. Wobei ich die Staaten auch gerne mal sehen würde. New York würde ich gerne mal sehen, so Städte, die einen von der Größe überwältigen. Das fände ich mal ganz interessant zu sehen.

Foto: (c) Sarah Weinberg | @sarahwhoeverphoto
Foto: (c) Sarah Weinberg | @sarahwhoeverphoto

Old Vinyl: Einer eurer Songs heißt ‚Mond‘ – welche Vorstellung hattet ihr früher vom Mond?

Jojo: Ich persönlich war nie besonders Weltraum-affin. Ich bin zwar großer ‚Star Wars' - Fan, aber das sind ja ganz andere Planeten, als die, die wir hier haben. (beide lachen)

Was ich aber interessant fand an dem Mond, das hat wenig mit dem Song an sich zu tun, ist, dass der Mond das Einzige im Sonnensystem ist, das für uns erreichbar ist im Moment. Was ja so die erste Stufe von Millionen, Milliarden ist, von Dingen, die uns unbegreiflich sind, weil sie so groß und so weit weg sind. Aber der Mond ist dann doch was, was uns am nächsten ist. Etwas wo Menschen schon da waren, wo Menschen hinkönnen. Das ist schon was faszinierendes. Dass wir es geschafft haben aus dieser Welt auszubrechen und auf einen anderen Himmelskörper zu gehen, das finde ich schon krass.

Luca: (stimmt zu) Da kommt so 'ne gewisse Sehnsucht - „Boah, da waren wir schon mal.“ Ein Himmelskörper, den man immer sieht. Ich persönlich interessiere mich ja voll dafür. Ich hatte früher auch ein Teleskop und hab auch Sternkarten gehabt und mir immer den Mond angeschaut. Das finde ich faszinierend.

 

Old Vinyl: Welche ist eure Lieblingszeile aus einem eurer Songs?

Jojo: Ja, also vielleicht auch, weil wir gerade von dem Song ‚Mond‘ gesprochen haben, aber der Song ist mir auch irgendwie der liebste auf dem Album, weil das ist erstmal der schwerste und traurigste und auch der persönlichste. Und da ist meine Lieblingszeile, die auch zuerst da war, vor dem restlichen Text.

„Wenn Sterne kolidieren und sich Planeten verteilt haben, sind Trivialitäten wie Kometen die einschlagen.“ Irgendwie fand ich das ein schönes Bild und dadurch kam ich auf diese Metapher mit Mond, Weltraum und Sterne. Fällt mir jetzt zuerst ein, vielleicht weil wir gerade davon gesprochen haben, aber das ist auf jeden Fall eine meiner Lieblingszeilen.

Luca: Das kann ich bestätigen. „Mond“ ist für mich auch immer so. Das ist fast peinlich zu sagen, dass man seine eigene Musik hört und dabei emotional wird. (lacht) Aber das kann ich bestätigen.

Jojo: Dann nehmen wir die.

Luca: Loggen wir so ein! (beide lachen)

Foto: (c) Sarah Weinberg | @sarahwhoeverphoto
Foto: (c) Sarah Weinberg | @sarahwhoeverphoto

Old Vinyl: In welche musikalische Epoche würdet ihr gerne reisen und warum?

Jojo: Ich würde total gerne in die 90er. So frühe, Mitte 90er. Weil da Rap gerade so an Popularität gewonnen hat. Weiß nicht, ist irgendwie eine coole Zeit. Alle Filme aus der Zeit sehen geil aus, die Leute sehen geil aus, die Klamotten sehen geil aus. Die Leute sind draußen im Park, fahren Skateboard und das hat so einen besonderen Touch. Ich habe zwar von den 90er nichts mehr mitgekriegt, ich bin '96 geboren, aber das wäre glaube ich die Zeit, in der ich gern gewesen wäre. Auch was das musikalische angeht, find ich das noch am romantischsten. Da gab’s noch Tapes, da gab’s gerade CDs, die wurden weiter gereicht. Social Media war noch kein Thema, Streamingzahlen waren noch kein Thema. Das wurde alles durch Mundpropaganda weitergegeben. Mukke hören hatte noch einen ganz anderen Stellenwert gehabt als heute. Heute gibt’s unfassbar viel Auswahl, es wird einfach konsumiert und weitergemacht. Und nächster Track, nächste Playlist. Und das hat aus heutiger Sicht irgendwie noch was sehr romantisches.

Luca: Bei mir sind’s eher die 60er/70er, weil ich ultra gerne mal „The Who“ oder „The Doors“ in jungen Jahren bei ihren ersten Konzerten gesehen hätte. Oder mal Woodstock miterlebt. Das ist so die Musik, die ich früher am liebsten gehört habe. Ich habe mich immer durch die Plattensammlung meiner Mutter gehört, wir hatten das irgendwie ständig laufen. Und das fand ich halt schade, dass viele Künstler schon tot sind oder eben nicht mehr touren. Das sind mittlerweile alles alte Männer, also wenn die noch leben. (lacht) Wie du sagst (zu Jojo), ohne Social Media, wie da Musik gemacht wurde, war auf jeden Fall eine interessante Zeit. „The Who“ mal im Monkey Club in London sehen, da hätte ich Bock drauf. (lacht)

Foto: (c) Sarah Weinberg | @sarahwhoeverphoto
Foto: (c) Sarah Weinberg | @sarahwhoeverphoto

Old Vinyl: Wenn ihr auf Tour seid - was darf fernab von eurem Equipment nicht fehlen?

Jojo: Das haben wir gestern noch gesagt, dass wir immer eine Akustikgitarre dabei haben wollen. Weil es gibt immer den Moment, in dem man Bock hat, „Wonderwall“ zu trällern. (alle lachen) Das hat irgendwie was cooles, um den Tag ausklingen zu lassen. Man hat zwar den ganzen Tag Mukke gehört, aber um nochmal alles wieder runterzufahren. Dann ist das cool sowas dabei zu haben. Eine Zeit lang hatten wir immer Federballschläger oder einen Fußball dabei, irgendwas zum rumdaddeln. Aber sonst gibt es nichts besonderes, was wir immer mitnehmen.

 

Old Vinyl: Ihr dürft nun Sätze vervollständigen.

a) Wären Sperling ein Drink, wären wir…

Luca: ein richtig alter Single Malt.

Jojo: Das sagst du nur, weil du das am liebsten trinkst. Sonst hätte ich jetzt auch gesagt „Energy Drink“ weil ich das am liebsten trinke. (beide lachen)

Luca: Nee, aber ein Scotch. Der ist schön schwer, bisschen rauchig, hat paar Komplexe und Aromen und schmeckt halt ultra geil. (beide lachen) Und er hat so eine Wärme, die man dann im Bauch spürt. Wenn man so eine Flasche aufmacht, dann riecht der ganze Raum nach Torf.

 

b) Das erste was wir nach einer Show machen ist, …

Jojo und Luca : Rauchen! (beide lachen)

Jojo: Also je nach Zeitdruck. Aber erstmal hinter die Bühne gehen und eine rauchen, bevor man dann auch vor an den Merchstand geht und mit den Leuten quatscht.  Ich meine, wir freuen uns über jeden der da ist und wollen dann auch bisschen quatschen, wie es den Leuten gefallen hat. Aber so nach einem Auftritt brauchen wir einen Moment ein bisschen Ruhe. Danach kann man dann zu den Leuten raus und sich wieder beschallen lassen.

Luca: Das ist korrekt.

 

c) Wenn wir einen Tag lang regieren dürften, würden wir als erstes durchsetzen, dass...

Luca: Ich würde gerne schaffen, dass AfD und NPD endlich mal verboten werden. Dass das aufgelöst wird.

Jojo: Ja, das finde ich gut. Ist krass, weil wir heute auch noch an Plakaten vorbei sind, mit deren Wahlspruch „Deutschland nur normal“. Und drüber stand „Endlich frei sein“ und das ist so frech, dass genau diese Leute die Freiheit haben so etwas sagen zu dürfen. Und da müsste man eigentlich alleine aus der Ironie raus sagen: „Ihr beschwert euch, dass ihr keine Freiheiten habt. Dann habt ihr jetzt mal keine mehr.“ Dann ist für die mal Schluss.

Foto: (c) Sarah Weinberg | @sarahwhoeverphoto
Foto: (c) Sarah Weinberg | @sarahwhoeverphoto

Old Vinyl: Worüber lacht ihr im Alltag am meisten?

Jojo: Ganz ganz dumme Sachen. (beide lachen)

Es ist meistens eine dumme Situationskomik. Jemand sagt ein ganz schlechtes Wortspiel. Wir sind Fan von sehr flachen, undurchdachtem Humor, würde ich sagen.

Luca: Ja. Jeder hat auch irgendwie einen Spitznamen, der wird ständig benutzt, dann werden Witze gemacht. Man kann es nicht richtig beschreiben.

Jojo: Nee, kann man nicht beschreiben. Es ist kein Witz, der erzählt wird. Es entsteht einfach aus der Situation raus. Der Beray ist meistens mit dabei, unser FOH und der Produzent von unsererm Album, und das ist ein unfassbar witziger Typ. Man steckt sich immer so ein bisschen daran an, an diesem wirklich flachen Humor. Dummer Humor teilweise.

 

Old Vinyl: Dann habt ihr generell auf Tour gute Stimmung?

Jojo: Ja, das auf jeden Fall.

Old Vinyl: Wie auf Klassenfahrt.

Jojo: Ja, nach Klassenfahrt fühlt es sich tatsächlich an. Im Hotel alle sind am giggeln, alle sind noch aufgebracht. Das ist cool. Gibt natürlich noch Phasen, nach einer Show, vielleicht auch heut Abend, dann ist es einfach ein bisschen ruhiger. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass es sehr unterhaltsam ist. Für uns. Für alle Fremde, die rein kommen, wahrscheinlich nicht. (lacht)

Old Vinyl: Wir haben noch eine kreative Aufgabe für euch. Ihr dürft die Bandmitglieder als Vögel malen.

Luca zu Jojo: Du kannst ja eigentlich ganz gut zeichnen.

Jojo: Geht. Vögel sind eigentlich nicht mein Spezialgebiet.

Luca: Ich hab früher Vögel als diese „M“s gemalt. Das wäre doch zum Beispiel für Malte ganz gut. (lacht)

Jojo: Gut, dann male ich jetzt unseren lieben Malte als Vogel. Vermutlich kriege ich den nicht so hübsch hin. Der Malte ist eigentlich ein sehr sehr hübscher Typ.